Effort Heuristic – Der Kunde belohnt, was nach viel Arbeit aussieht

Daniel Kostyra

Wenn wir etwas kaufen (z. B. einen Strickpullover), haben wir in der Regel nur wenige Indikatoren, die uns im Vorfeld helfen, die Produktqualität zu beurteilen. Häufig orientieren wir uns hierfür an Marken. Ist es eine bekannte, idealerweise verlässliche Herstellermarke (z. B. BOSS)? Oder ist der Händler, bei dem ich gerade das Produkt begutachte, eine seriöse Marke mit qualitativem Sortiment (z. B. P&C)? Alternativ und/oder ergänzend schauen viele auf den Preis. Ein hoher Preis dient dann als Hinweis auf hochwertige Bestandteile oder Zutaten. Und hinter einer hochpreisigen Dienstleistung vermuten wir kompetentes, gut ausgebildetes Personal oder zumindest ein überlegenes Geschäftsmodell.

Effort

Eine weitere Orientierungshilfe ist – gemäß der Effort Heuristic – der empfundene Arbeitsaufwand, der in die Produktion eingeflossen ist. Obwohl Maschinen heutzutage viele Produkte besser herstellen als Menschen (z. B. Strickpullover), neigen wir dazu, einer von Hand gefertigten Ware einen höheren Wert beizumessen. Und je länger und komplexer der Herstellungsprozess anmutet, desto höher ist die Zahlungsbereitschaft (bei sonst gleichen Produkteigenschaften). Wir unterliegen hierbei dem Trugschluss, dass Qualität und Arbeitsaufwand strikt miteinander korrelieren. Teilweise nimmt dies sogar absurde Formen an. Ein Beispiel: Probanden sollten während eines Experiments den Wert von zwei Gemälden bestimmen[1]. Zuvor wurden sie darüber informiert, wie viel Zeit der Künstler für die Erstellung benötigte (dieser Wert war randomisiert). Das Ergebnis: Die Teilnehmer schätzten den Wert des Gemäldes mit längeren Erstellungsprozess im Durchschnitt höher.

Für das Marketing bedeutet dies, dass man aktuelle oder geleistete Arbeitsprozesse nach Möglichkeit sichtbar machen sollte. Gerade wenn Wartezeiten für den Kunden bestehen. Das bedeutet auch: Digitale Prozesse dürfen ruhig länger als drei Millisekunden dauern. Erst dadurch entwickelt der potentielle Kunde das Gefühl, dass überhaupt Daten, Algorithmen und Rechenprozesse existieren und für ihn arbeiten. Beispielhafte Anwendungsgebiete wären:

  • Im Curated Shopping wird dem Kunden häufig suggeriert, dass sein personalisiertes Paket von einem eigenen Stilberater händisch zusammengestellt wurde.
  • Vergleichsseiten visualisieren den Vergleichsprozess durch einen Ladebalken und zeigen dazu an, welche Anbieter (z. B. Airlines) gerade gecheckt werden[2].
  • Prüft man den Zustellstatus eines Paketes, stellt DHL die gesamte Logistikkette dar und zeigt, welche konkreten Transportwege bereits vollzogen wurden.

[1] Kruger, Justin, Derrick Wirtz, Leaf Van Boven & T. William Altermatt (2004), „The effort heuristic”, Journal of Experimental Social Psychology, 40 (1)

[2] Buell, Ryan & Michael Norton (2011), „The Labor Illusion: how Operational Transparency Increases Perceived Value”, Management Science, 57 (9)

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Daniel Kostyra

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Daniel Kostyra arbeitet seit Juni 2014 als Consultant bei der Cocomore AG. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Marketing an der Goethe Universität in Frankfurt. Wenn man ihn fragt, was er bei Cocomore macht, sagt er: "Ich weiß, was ich tue, selbst wenn ich nicht immer genau erklären kann, was ich mache".

Kosy in vier Worten beschrieben: neugierig, redselig, schmerzfrei, unbärtig.