Der „Hype Cycle“: Innovationen und die 5 Phasen der Aufmerksamkeit

Daniel Kostyra

Mediale Berichterstattung lebt von Aktualität und Relevanz. Im Wettstreit der Medienvertreter entarten diese journalistischen Grundprinzipien jedoch häufiger. Dann geht es um reißerische Schlagzeilen und das Buhlen um Aufmerksamkeit. Beliebte Themen hierfür sind technologische Innovationen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie mit (vermeintlich) disruptiven Geschäftsmodellen einhergehen. Lange vor ihrer Reife werden sie durch Blogs & Co. getrieben und dabei mit teilweise unrealistischen Erwartungen überladen. Um diese Beobachtung besser zu greifen und Entscheidern den Umgang zu erleichtern, entwickelte die Technologieberatung Gartner 1995 den sogenannten „Hype Cycle“ (Abbildung). Dieser beschreibt die fünf Phasen der Aufmerksamkeit und Erwartungen, die eine Innovation klassischerweise durchläuft, bevor sie sich am Markt etabliert (oder verschwindet):

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Phase 1: Technologischer Auslöser
Die Innovation wird bekanntgegeben. An dieser Stelle jedoch noch als ein technologischer Durchbruch, es liegt kein marktreifes Produkt vor.

Phase 2: Gipfel der überzogenen Erwartungen
In einer Art schwärmerischer Enthusiasmus entwerfen Medien unrealistische Anwendungsmöglichkeiten, obwohl in der Regel erst Prototypen existieren. Spätestens in dieser Phase werden Entscheider in Unternehmen darauf aufmerksam und sehen sich mit den entworfenen Wunderlandschaften konfrontiert. Dies führt häufig zu Investments und Budgetverschiebungen. Berater, Agenturen und andere externe Dienstleister werden darauf getrimmt, diese neuen Ideen direkt umzusetzen, bevor es andere tun.

Phase 3: Tal der Enttäuschung
Als Folge der Nichterfüllung utopischer Zuversicht ebbt die Berichterstattung über die neue Technologie ab. Es folgt die Desillusionierung.

Phase 4: Pfad der Erleuchtung
Jenseits weiterer medialer Aufmerksamkeit entsteht ein realitätsnahes Bewusstsein dafür, welche Grenzen und welchen Nutzen die Innovation wirklich hat.

Phase 5: Plateau der Produktivität
Am Ende steht für überlebende Technologien und Geschäftsmodelle die Phase, in der sie massentauglich werden. Marktreife Produkte bewähren sich unter rationalen Erwartungen. Spätestens hier rücken Innovationen wieder zurück in den Blick der Entscheider, die sie im Tal der Enttäuschung zunächst aufgegeben hatten.

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Die Beacon-Technologie als Beispiel

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Beacon-Technologie, ein auf Bluetooth basierendes Sender-Empfänger-Prinzip zur Lokalisation und Kommunikation in geschlossenen Räumen, z. B. zwischen einem Produkt und dem Smartphone eines Kunden. 2013 kam es zum „technologischen Auslöser“, als Apple seine iBeacons vorstellte. Bereits Anfang 2014 stürzten sich Start-ups und Wirtschaftsmedien auf dieses Thema und prophezeiten die Revolution des standortbasierten und personalisierten Marketings. Daraufhin startete Shopkick Ende 2014 mit seiner auf der Beacon-Technologie basierenden Treue-App, mit deren Hilfe Kunden Punkte für das Betreten von teilnehmenden Geschäften (z. B. Galeria Kaufhof, H&M, Media Markt) sammeln konnten. Anfang 2017 zog sich Shopkick schon wieder aus Deutschland zurück. Die ursprünglichen (überzogenen) Erwartungen an diese Technologie konnten zumindest für den Marketingbereich nicht erfüllt werden. Gleichzeitig feiern Beacons große Erfolge in der Logistikbranche. Ein Beispiel: Das Logistik-Unternehmen CHEP nutzt Beacons in Viertelpaletten, um die Nachverfolgung von Mondelez-Promotionen in deutschen real-Märkten zu erleichtern. Hierfür gab es 2016 sogar den ECR-Award für Unternehmenskooperation.

Trends nicht zu früh feiern, aber auch nicht zu früh abschreiben       

Entscheider sollten deshalb neue Technologien und vor allem Trends stets nüchtern betrachten und unvoreingenommene Kosten-Nutzen-Rechnungen aufstellen, bevor Initiative ergriffen wird. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Manche Hypes, wie Pokémon Go, halten nur wenige Monate, andere haben mehr Potential – etwa Big Data oder Chatbots. Auf der anderen Seite sollten Innovationen und Trends nach dem Media-Hype (im Tal der Enttäuschung) weiterhin im Blick behalten werden, da vielen eine Renaissance unter realistischen Vorzeichen bevorsteht.

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Unser Experte

Daniel Kostyra

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Daniel Kostyra arbeitet seit Juni 2014 als Consultant bei der Cocomore AG. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Marketing an der Goethe Universität in Frankfurt. Wenn man ihn fragt, was er bei Cocomore macht, sagt er: "Ich weiß, was ich tue, selbst wenn ich nicht immer genau erklären kann, was ich mache".

Kosy in vier Worten beschrieben: neugierig, redselig, schmerzfrei, unbärtig.